Heute wird es etwas wissenschaftlich hier im Blog. Denn schon lange stört sich die Biologin in mir an den Erklärungen, die sowohl im Netz als auch in Fachbüchern des Bäckerei-Handwerks zum Salz-Hefe-Verfahren gebracht werden. Denn es gilt wie immer: Nur weil etwas überall steht, muss es nicht richtig sein. Und so habe ich das getan, was man als Wissenschaftler tut, wenn man vor einem Problem steht: Ich habe wissenschafltiche Publikationen gelesen, die verschiedene Teilaspekte des Salz-Hefe-Verfahrens beleuchten. Und nach und nach entstand ein recht klares Bild von dem, was in der Hefe und im Teig abläuft, das ich nun gerne mit euch teilen möchte. Aber der Reihe nach…
Das Salz-Hefe-Verfahren ist nun wahrlich kein neuer Hut. Es ist ein Verfahren, bei dem Hefe für einen Zeitraum von bis zu 48 Stunden einer 10% Salzlösung ausgesetzt wird, was zu vielen positven Effekten im Teig und im gebackenen Brot führt. Als Erklärung für diesen Effekt wird sowohl in deutschsprachigen Fachbüchern als auch auf vielen Brotback-Blogs angeben, dass durch den osmotischen Druck (also durch die hohe Salzkonzentration) das Wasser aus der Hefezelle strömt, wodurch die Hefezelle stirbt und die Enzyme, die für die Gärung gebraucht werden, in die umgebene Flüssigkeit gelangt (vgl. z.B. “Lernfelder der Bäckerei” von C. Schünemann, Bäckerlatein.de von L. Geißler (inzwischen aktualisiert), Hombaking.de von D. Kappel).
Den Effekt des osmotischen Drucks gibt es. Jeder, der einmal Salz auf eine rohe Kartoffelscheibe oder ein Stück Rettich gestreut hat, kennt das Phänomen: Das Gemüse “weint”, es bilden sich Wassertröpfchen. Das liegt daran, dass jedes System ein Gleichgewicht anstrebt. Und da das Salz nicht in die Zelle hinein kann (die Zellmembran ist im Weg), strömt das Wasser aus der Zelle heraus, bis ausserhalb und in der Zelle die gleiche Salzkonzentration herscht. Bis zu diesem Punkt stimmt die Erklärung also.
Aber stirbt die Zelle dabei?
An diesem Punkt kommen wir zu dem großen Problem bei der überall im Netz gebrachten Erklärung: Die Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) ist ein wunderbarer Modellorganisum, um den Einfluss von Stress, z.B. Salzstress, zu testen. Und so gibt es inzwischen einige Studien, die sich mit der Lebensfähigkeit, Wachstumsrate und der Fermentation von Hefen unter Salzstress befassen. Und dabei zeigt sich erstaunliches. Bei einer Salzkonzentration zwischen 6-10% stellt Hefe zwar die Vermehrung ein, zeigt in der Salzlösung aber eine bessere Lebensfähigkeit im Langzeitexperiment (bei zu 208 Stunden) als Hefen, die Konzentrationen in einem Bereich von 0-5% aushalten müssen. Werden diese salzgestressten Hefen nach 24-48 Stunden (je nach Studie) in ein nährstoffhaltiges aber salzfreies Medium überführt, zeigen sie eine deutlich erhöhte Fermentationsrate im Vergleich zu Hefen, die keinem Salzstress unterzogen wurden. Sie vermehren sich auch wieder und das zeigt, dass sie bei Salzstress nicht sterben (vgl. z.B. Logothetis et al, 2007; Logothetis und Walker, 2010, Logothetis et al, 2014).
Das veränderte Teigverhalten kann also nicht an den Enzymen liegen, die nach dem Tod der Hefe in den Teig gelangen. Um zu verstehen, was in der Hefe passiert, muss man den Stoffwechsel der Hefe betrachten. Der Salzstress führt dazu, dass sich die Hefe beginnt, andere Proteine herzustellen, was z.B. den Aufbau ihrer Zellmembran ändert (vgl. Szopinska et al, 2011). Auch beginnt sie, Glycerin zu produzieren und in der Zellmembran einzulagern (vgl. Yeh et al. 2009, Aslankoohi et al., 2015). Steht die Hefe nicht mehr unter Salz-Stress, wird das Glycerin an die Umgebung abgegeben. Dort verbessert es die Fähigkeit des Teiges, Gas zu halten, der Teig geht bei der gleichen Kohlenstoffdioxid-Menge also besser auf. Gleichzeitig bleibt der Teig bei maximalen Volumen (=Vollgare) länger stabil, die Gärtoleranz verbessert sich daher (vlg. Aslankoohi et al., 2015).
Auch steigt wie schon für Nährmedien beschrieben auch im Teig die Fermentationsrate. Eine erhöhte Fermentationsrate führt unter anderem auch zu einer erhöhten Kohlenstoffdioxid-Produktion von Salz-gestresseten Hefen. Sie ist in zuckerhaltigen Teigen besonders hoch ist. Das bedeutet, dass die Teige auch schneller aufgehen (Yeh et al., 2009, Aslankoohi et al.,2015).
Zusammendfassend lässt sich sagen: Die Hefe überlebt den Salzstress, dem sie beim Salz-Hefe-Verfahren ausgesetzt ist. Der Salzstress führt zu der Abgabe von Glycerin an den Teig, wodurch das Glutennetzwerk elastischer und stabiler wird, der Teig also höher aufgehen kann und die Gärtoleranz verbessert wird. Gleichzeitig wird die Kohlenstoffidoxid-Produktion angeregt – insbesondere in zuckerhaltigen Teigen – wodurch der Teig schneller aufgeht.
Meine Quellen zum Nachlesen:
Aslankoohi, E., Rezaei, M.N., Vervoort, Y., Courtin, C.M., and Verstrepen, K.J. (2015). Glycerol Production by Fermenting Yeast Cells Is Essential for Optimal Bread Dough Fermentation. PLOS ONE 10, e0119364.
Logothetis, S., and Walker, G. (2010). Influence of sodium chloride on wine yeast fermentation performance. IJWR 35.
Logothetis, S., Walker, G.M., and Nerantzis, E.T. (2007). Effect of salt hyperosmotic stress on yeast cell viability. Proceedings for Natural Sciences of Matica Srpska Novi Sad 113, 271–284.
Logothetis, S., Nerantzis, E.T., Tataridis, P., Goulioti, A., Kannelis, A., and Walker, G.M. (2014). Alleviation of stuck wine fermentations using salt-preconditioned yeast. Journal of the Institute of Brewing 120, 174–182.
Szopinska, A., Degand, H., Hochstenbach, J.-F., Nader, J., and Morsomme, P. (2011). Rapid Response of the Yeast Plasma Membrane Proteome to Salt Stress. Molecular & Cellular Proteomics 10.
Yeh, L.-T., Charles, A.L., Ho, C.-T., and Huang, T.-C. (2009). A Novel Bread Making Process Using Salt-Stressed Baker’s Yeast. Journal of Food Science 74, S399–S402.
Steffi: Du bist auf dem besten Wege, meine persönliche Backwissen-Drosten zu werden :D! Ich liebe, liebe, liebe solche verständlich und nachvollziehbar vorgetragenen Schneisen durch den Erklärungsdschungel! Mehr davon! Andernfalls muss ich überlegen, ob ich nicht doch noch ein Naturwissenschaftsstudium will… zwar habe ich Physik, Chemie und Bio abgewählt, sobald es ging (und lieber Informatik behalten), aber… damals hat es auch keiner geschafft, mir nur annähernd zu vermitteln, wo der Reiz all dieser Disziplinen liegt.
Herzlich: Charlotte
PS: Ich entnehme dem Popup, man darf herzlich gratulieren?
Hallo Stefanie,
gratuliert habe ich ja schon, dann wünsche ich euch aber zum Anfang erst noch mal dass ihr alle gesund bleibt und viel Spaß mit eurem “Neuankömmling” habt!
Den Bericht über das Salz-Hefe-Verfahren hattest du ja schon angekündigt, und mich damit ziemlich neugierig gemacht. Ich habe mich am Anfang meiner Hobbybäcker-Karriere auch mal damit befasst, bin aber wieder davon abgekommen.
Allerdings dachte ich, als ich von eurem freudigen Ereignis erfuhr, dass ich auf den Bericht nun wohl eine Weile warten müsste. Um so überraschter und erfreuter war ich als ich per E-Mail die Ankündigung bekam.
Wieder mal Futter für die Infos-von-Stefanie-Datenbank. Vielen Dank dass du dir die Zeit dazu genommen hast.
Liebe Grüße von Hans und Familie
@Hans: ich hatte fleissig vorgearbeitet 😊
Darum ist die Post- Warteschlange auch für die nächsten Wochen noch für den wöchentlichen Rhythmus gefüllt. Danach ist es dann bis zum Jahresende ein zweiwöchentlichet Rhythmus, falls ich nicht zum Backen komme. Ich hatte ja 32 Wochen Zeit, um das ganze zu planen 😇
Herzlichen Glückwunsch, genießt den Nachwuchs.
Und noch einmal, danke für so einen tollen Artikel! Es ist so viel Halbwissen un der Welt. Ich habe Frau Kollegin deinen Hefevermehrungspost ans Herz gelegt. Nun hast du noch einen Fan mehr
Liebe Stefanie,
herzlichen Glückwunsch zum „Neuen Erdenbürger“!!
Mit Genuss habe ich die Erklärungen zum Salz-Hefeverfahren gelesen, endlich einmal auch für die nicht Wissenschaftler verständlich. Ich selbst bin Chemikerin und mußte schon häufiger Bekannten dieses Phänomen des Salzstresses erklären, aber du hast es perfekt gelöst.
Pingback: Salz-Hefe-Verfahren – baeckerlatein.de – Das Lexikon zum Brotbacken.
Danke für die Recherche, liebe Stefanie!
Ich habe den Lexikonbeitrag gerade aktualisiert und natürlich deinen Beitrag als Quelle verlinkt.
Und wie nutzt man nun diese Methode des Salzes, respektive, wann gibt man das Salz zu dem roggensauer oder LM Anstellgut, da es ja zweifellos, beim backen Vorteile bringt?
@Ruth: das Salz-Hefe-Verfahren ist tatsächlich für Hefe gedacht. Zwei Anwendungsbeispiele in Form von Rezepten stehen für die nächsten zwei Wochen schon in der Warteschleife.
Hallo Stefanie,
vielen Dank für die ausführliche Erklärung. Dieses Verfahren wende ich schon lange für meine Pizzas und auch gelegentlich für Brot an. Für süßen Teig habe ich es noch nicht benutzt, doch das schreit förmlich nach einem Test…..
Zu Eurem Nachwuchs gratuliere ich herzlich. Vielleicht noch ein kleiner Hinweis aus eigener Erfahrung. Wenn jemand glaubt, dass Eltern ihre Kinder erziehen, der irrt. Es ist in den meisten Fällen umgekehrt (GRINS….)
Liebe Grüße
Rainer
Ich entnehme den Kommentaren, dass sich Familienzuwachs eingestellt hat. Herzlichen Glückwunsch dazu!
Der Drosten-Vergleich (siehe oben) hat schon was. Ich lese sehr gern Deine Beiträge und bin natürlich auch Fan Deiner Rezepte. Insbesondere die wissenschaftliche Herangehensweise und Betrachtung, gepaart mit Deinem verständlichen Vortrag, machen einfach Spaß.
Vielen Dank und herzliche Grüße vom Niederrhein.
Thomas Oskar
Auch von mir die allerherzlichsten Glückwünsche zur Ankunft deines Babys! Was für eine Überraschung!
Dein Artikel ist hochinteressant, ich habe mich immer gefragt, wie genau das funktioniert mit dem Salz- Hefe Verfahren. Ich habe es selbst nur einige Male angewandt, weil ich hier nur ganz selten mal an Frischhefe gelange… da hätte ich noch eine Frage an dich ( und ja klar, natürlich verstehe ich, wenn die Antwort etwas später kommt… das Baby ist die erste Priorität!)… klappt denn das Salz- Hefe- Verfahren auch mit Trockenhefe?
@Miriam: Bei Trockenhefe wird es nicht so gut oder gar nicht funktionieren, weil die Hefe da ja erstmal aus einer anderen Stresssituatuion (Trockenstress) kommt. Rein Theoretisch (weil nicht von mir getestet) könnte es klappen, wenn man die Trockenhefe mit etwas Zucker- oder Malz-Wasser (mit 5% Zucker/Malz) verrührt, bis sie Aktivität in Form von Gasentwicklung zeigt, und dann erst das Salz dazugibt.
Ich habe guten Erfolg mit Englischer Trockenhefe. Dazu aktiviere ich sie: 25 Minuten im warmen Wasser ohne Zusätze bei 28° stehen lassen. Sobald sich Schaum zeigt, füge ich Das Salz hinzu und lasse bei 24° reifen.
So ein toller, verständlicher Artikel!
Auch von mir ganz herzliche Glückwünsche und gutes Gedeihen für den Nachwuchs!
Moin Stefanie,
meine herzlichsten Glückwünsche für die neue Familie :0)
Bei uns war es Ende Februar so weit, von daher weiß ich sehr gut, was ihr gerade erlebt ;0)
Vielen Dank für den erneut Erkenntniss-reichen Beitrag. Interessant wäre, ob wilde Hefen (z.B. im Hefewasser oder Sauerteig) ähnlich robust sind oder ob dort dann andere Mikroorganismen das Steuer übernehmen. Aktuell experimentiere ich mit einem zuckerhaltigen Sauerteig…der aktuelle Zwischenstand sieht schon viel versprechend aus, aber ein paar kleine Stellschrauben müssen noch gedreht werden.
Beste Grüße,
Ben
@Ben: Dann auch euch ein nachträgliches “herrzlichen Glückwunsch”!
Bei den Lebensgemeinschaften verschiedener Mikroorganismen, wie man sie im Hefewasser oder Sauerteig findet, wird man mit der Salzzugabe wahrscheinlich erstmal die Salztoleranten Mikroorganismen selektieren. Es gibt ja halophile (salzliebende) Bakterien, die man z.B. bei der Herstellung von milchsauer-vergorenen Gemüse verwendet.
Liebe Stefanie
Endlich mal eine gute Erklärung die ich nachvollziehen kann. Vielen lieben Dank für deine Zeit uns dies so zu erklären.
Nun lese ich oft, dass diese Salz-Hefe-Wasserlösung min. 4h stehen gelassen werden muss. Warum? Reicht da nicht eine kürzere Zeit oder brauchen die Hefen diese Mindestzeit um diesen Prozess durchzulaufen?
Freue mich auf eine Rückmeldung.
All den Kommentaren zu folge, bist du im April Mama geworden. Was für ein schönes Ereignis! Wünsche euch ganz viel Freude aneinander und miteinander.
Herzgrüsse
Anuschka
@Anuschka: Der Salzstress muss schon ein wenig auf die Hefe wirken, damit die genetischen Programme anlaufen. Ob vielleicht 2 oder 3 Stunden ausreichen, müsste man mal ausprobieren – die 4 Stunden entsprechen einfach dem klassischen Vorgehen.
Und vielen Dank für die guten Wünsche!
Liebe Stefanie,
ein Sprichwort sagt ja was einen nicht umbringt, macht einen härter. Dafür hat die Hefe wohl nun den ultimativen Beweis erbracht 😉. Was den Artikel angeht schließe ich mich einfach deinen anderen Anhänger an, die ihn oben schon ausführlich gelobt haben.
Du schreibst von den Vorteilen, die diese Verfahren hat, daher frage ich mich, warum es nicht öfter eingesetzt wird. Wo liegen die Nachteile?
Dir , deiner Familie und deinen Anhängern hier in Blog ein gesundes Neues Jahr (auch wenn es jetzt schon ein paar Tage alt ist).
@Jana: Wirkliche Nachteile habe ich bisher nicht bemerkt, ich glaube, es ist einfach eine Gewohnheitsfrage – und man muss natürlich auch ein bisschen vorausplanen – obwohl wir das ja auch von Vorteige kennen 🙂
Moin Stefanie
Danke für den ausführlichen Block zum Thema Salz-Hefe-Verfahren
Meine Überlegung dazu ist, demnach könnte es möglich sein, wenn man frische Hefe eingefroren hat und diese wieder zur Verwendung auftaut, diese mit der “Salz Hefe Verfahren” wieder triebbarer bekommt als ohne?
friesischen
Hobby-Bäckergruß
@Rudi: Hmm, das ist eine gute Frage. Das Problem bei gefrorener Frischhefe ist ja, dass die Hefezellen mit der Zeit ihre Lebensfähigkeit verlieren, da beim Gefrieren in der Zelle Eiskristalle entstehen, die die Hefen platzen lassen. Ob da zusätzlicher Stress im Form von Salz wirklich eine Verbesserung bringt? Ich bin mir nicht sicher – aber andererseits: Probier es doch aus, das würde ja auch mit einem kleinen Testteig funktioneren:
100g Mehl
70g Wasser
2g Hefe
2g Salz
Einmal im Salz-Hefeverfahren, einmal als “normaler” Teig. Dann in zwei identische Gläser (Weck-Sturzgläser haben sich hier bewährt) und gehen lassen, bis sich der Teig verdoppelt bis verdreifacht. Alle 30 min ein Foto machen hilft bei der späteren Beurteilung 🙂
Ein wirklich sehr interessanter Beitrag!
Ist es denkbar, dass ein säuregestresster Teig (durch hohen Fruchtanteil) bei Zugabe der Hefelösung aus dem Salz-Hefe-Verfahren eine bessere Lockerung erreicht?
LG
@Julia: Wieviel Frucht(-säure) kommt denn in den Teig und welche Früchte? Denn grundsätzlich ist ein gewisser Grad an Säure erstmal gar nicht schlecht, da es sich straffend auf das Gluten auswirkt (vgl. Sauerteigbrote mit Dinkel oder Weizen). Wenn die Säure so stark ist, dass das Gluten denaturiert, wird wahrscheinlich auch das Glycerin der Salz-gestressten Hefen nicht mehr helfen.
Pingback: Baguette – Teig für Faule – Familien-Kochrezepte
Pingback: Weizentoast Weiß / Vollkorn | der brotdoc
Liebe Stefanie!
Sag, gab’s bei dir da schon mal die Überlegung ob man ev. nicht auch die Wildhefe in solchen Streßsituationen ausliefern könnte ? – sprich LM, Sauerteig, oder sogar Hefewasser ? – irgendwie sehe ich ja dass es hier das selbige wäre .. sind ja auch Hefen … oder ist das anders zu sehen durch die Diversifikation von Hefen, das ev. manche Stämme von Wildhefenzellen den Stress nicht packen ?
@Rudolf: Lutz hatte vor einiger Zeit ein Backexperiment dazu veröffentlicht, allerdings hinter der Paywall, darum habe ich auch nur das Bild dazu gesehen, da ich keinen Zugang habe. Es scheint aber gut zu klappen.
Als kleiner Denkanstoß und für (Gedanken-)Experimente Ian Lowe, der den Sweet Sourdough entwickelt hat – einen Sauerteig, der in der letzten Stufe mit einer hohen Zuckerkonzentration geführt wird (mind. 25% des Mehlgewichts des Sauerteigs) erklärt das so, dass durch den osmotischen Stress die Milchsäurebakterien sterben und nur die Hefen überleben. Ich könnte mir einen ähnlichen Effekt vorstellen, wenn die Salzmenge entsprechend hoch ist. Plus den bekannten Effekten von Salz auf die Hefe, könnte das einen schönen Triebstarken, wenig säurebildenen Sauerteig ergeben. Ich bin nur noch nicht dazu gekommen, auszurechnen, wie hoch die Salzmenge theoretisch sein müsste (Stichwort Osmomolarität).
Hefewasser kann ich mir für solche Experimente auch gut vorstellen 🙂
Nachtrag: Hier bei wordloaf gibt es einen guten Artikel zum Sweet Starter nach Ian Lowe
Nachtrag 2: Ich habe mal gerechnet. Wenn man eine vergleichbare Osmolarität wie im süßen Sauerteig (25-30%) nach Ian Lowe zugrunde legt, wären etwa 8,3g-10g Salz auf 200g Roggensauerteig (100% Hydration). Damit liegen wir ziemlich genau im Bereich des “klassischen” Salz-Hefe-Verfahren. Ist doch schön, wenn alle im gleichen Bereich landen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt, ziemlich groß. Und die Reaktion von Hefe auf Salz-Stress und Zucker-Stress ist scheinbar recht ähnlich (s. hier) Von daher würde ich davon ausgehen, dass es salzgestresster Sauerteig auf einer ähnlichen Basis funktioniert wie der süße Sauerteig, und das die beschrieben Effekte wie z.B. die große Stabilität bei der Gärverzögerung im Kühlschrank auch hier auf Glycerin zurückzuführen ist. Müsst man aber mal praktisch testen. Vom Vorgehen her würde ich einen mehrfach aufgefrischten Sauerteig benutzen und damit den Salzstress-Sauer ansetzen. Ob es mehr Sinn macht, den Sauerteig ähnlich wie den süßen Sauerteig ganz normal gehen zu lassen oder ob es besser klappt, wenn man Salz mit reifen Sauerteig verrührt, müsst man testen – falls du vor mir dazu kommst, melde dich mal mit dem Ergebnis.
Hallo Stefanie !
Vielen Dank mal, für deine Antworten, darin sehe ich viele Interessantes … vor allem das Sauerteig Salz verfahren, falls dies so funktioniert. Ich werde das mit einem LM ausprobieren … – im speziellen mit deinen BAguette’s welche du mit hohen Anteil des LM machst … – vielleicht dann im Finalteig 5-10% Malzteig hinzuzüfgen würde das ganze vielleicht nomals etwas tunen … – mal schauen, wann ich dazu komme !? … – mein LM sollte robust genug sein ! danke danke für den Input
@Rudolf: Denk daran, dass du bei LM weniger Salz brauchst, da die Wassermenge im Teig auch geringer ist. Auf 150g LM brauchst du 4,15-5g Salz.
Stefanie/Wassermenge … – ok. bin weitaus höher gefahren mit der Salzmenge, war zu voreilig … egal … – dachte die Salzmenge bezieht sich auf die Mehlmenge, daher ging meine Salzmenge in die andere Richtung los … – dennoch bin mal neugierig was rauskommt … ist eh nur eine Kleinmenge .. ev. habe ich oder werden gerade die Hefen im Sauerteig auch ruiniert !? … – Testergebnis kommt am Mittwoch oder Donnerstag abend – DANKE für die Korrektur, wird dann nächster Versuch!
Übrigens habe ich gestern unsere klassischen HandKaisersemmeln hergestellt mit den klassischen Salz Hefe Verfahren, und ich war sehr begeistern wie gut es funktionierte. Sie wurden tatsächlich so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Daher werde ich heute noch mit den nächsten Schritt, mit dem SalzLM loslegen …
Was ebenso excellent zum tragen kam, dass diese Semmeln dann nicht mehr so stechend nach Hefe riechen, sondern so ein richtig runder blumiger Geschmack entstand. TOP
Das Zuckerverfahren liest sich ebenso excellent … wäre hier sehr interessant ob es auch den Geschmack wesentlich beeinflusst, und z.b. beim Klassiker Striezel es wirklich zu geschmacklichen Veränderungen kommt. Auch das werde ich ausprobieren, aber da weiß ich noch nicht wann 🙂
Habe meinen 1. Test soweit mal beendet … – Stefanie, ich habe fast die doppelte Menge Salz verwendet, aufgrund meiner voreiligkeit 🙂 … – und dennoch kam ich zu einen Ergebnis, nach folgenden Mischungsverhältnis:
Ansatz_LM: 120g
Frischmehl: 120g
Wasser: 60g
Salzzugabe: 17g (lt. deiner Rechnung hätten es 8,30-10,0g sein sollen)
Ergebnis:
Trotz der hohen Salzkonzentration über 3h bevor ich damit in den Hauptteig ging kam es zu keiner Gärunterbrechung. Nachdem der Hauptteig oder Finalteig abgemischt wurde kam es in den ersten 2 Stunden der S/F Technik bei Zimmertemperatur zu einer Konsistenzveränderung des Teiges … – er wurde klebriger, und meiner Meinung nach wurde das Glutengerüst bereits geschwächt … – Dieser Status blieb dann im Kühlschrank weitgehend erhalten … Ich verarbeitete den Teig zu einer Pizza und zu Ciabatta, mit niedrigerer Hydration. Eine wesentlich stärkere Fermentation konnte ich dabei nicht feststellen … was aber schlußendlich auch auf den hohen Salzgehalt vom LM beruhen kann .. ev. wurden hier die Hefen schon etwas angegriffen … !?!? … – Dennoch gezielt kann man als positives erkennen: Der Teig ist de facto vom empfinden fast Säurefrei … in der Pizza extram angenehm und wirklich extrem gut verdaulich. Geschmacklich entspricht das Ciabiatta einen Teig der 70-100h in der Gare verbrachte, da er fast keine Säure hat, und ein ganz sanfter süßlicher Hauch durchkommt … Kruste & Krume gut ausgebildet – Fazit: Ich werde hier drannbleiben, es lohnt sich!
Hauptteig:
500g W700
170g Hartweizenmehl
500g Wasser
ganzer LM von oben
KEIN SALZ, LM hatte bereits genug Salz 🙂 – = ca. 19g/kg Mehl
36h Stockgare im Kühlschrank
4h Stückgare bei ZiTemp
PS:
Ein zweiter Test läuft noch … mit gleicher Hauptteigmenge und selbigen LM jedoch von der Menge nur 3Gramm (Rezept: Respectus Panis), der verbleibt noch im Kühlschrank … geht in Miniaturschritten ganz ganz langsam auf … mal schauen … wo er endet ? 🙂
kleine Korrektur/Ergänzung: der LM Salzsauer stand 3h bei 26 Grad und nachfolgend ca. 20h im Kühlschrank, bevor er gänzlich in die Hauptverarbeitung ging.