4. August 2012

Lievito madre

LM dtÜber einen Kommentar zu einem meiner Brote bin ich auf die Beschreibung des “Lievito madre” im Brotbackforum gestoßen, einem fest geführten Weizensauerteig. Die Beschreibung klang verlockend, denn Sauerteig ansetzen macht mir Spass.

Also habe ich Mehl, Wasser, Honig und Öl miteinander verknetet und den Liebsten informiert, dass ein biologisches Experiment in der Küche steht und beobachtet, was passiert.

Schon nach 12 Stunden konnte man sehen, dass der Teig etwas aufgegangen war, nach bereits nach  24 Stunden hatte sich das Volumen mehr als verdoppelt. Nach dem 2. Füttern ist der Teig in mein Litermaß um gezogen, damit ich ihn besser beobachten konnte. Und tatsächlich konnte ich schon nach wenigen Stunden sehen, wie Luftblasen im Teig entstanden, man konnte dem Teig förmlich beim Gehen zu sehen. Nach 12 Stunden hatte sich das Teigvolumen verdoppelt, nach 24 Stunden war er um das 1,5 fach aufgegangen. Da danach keine weitere Aktivität zu beobachten war, habe ich ihn am nächten Morgen (36 Stunden nach dem 2. Füttern) erneut gefüttert und in den Kühlschrank zum Reifen gestellt.

Nach fünf Tagen zeigte der Teig kaum Aktivität, roch schwach nach Joghurt und hatte einen fruchtig-hefigen, leicht säuerlichen Geschmack. Wie ein Weizensauerteig, nur noch viel milder und hefelastiger. Die ersten Brötchen, die ich damit gebacken habe, zeigten im Ofen einen Wahnsinns-Trieb und hatten ein sehr leckeres, mildes Aroma.

Doch was passiert in diesem Vorteig? Wenn man dem italienischen Wikipedia Glauben schenken darf, so bezeichnet Lievito madre erstmal nur Sauerteig. Aber der Geschmack und Geruch des Lievito madre, den ich angesetzt habe, unterscheidet sich stark von einem Weizensauerteig. Also muss hier eine andere Kombination aus Hefepilzen und Bakterien wirken. Doch woher kommen diese Hefen? Bei den Zutaten Wasser, Mehl, Öl und Honig war schnell klar, das neben Getreide, auch Honig als Quelle für Hefepilze dient.

Denn im Honig befinden sich Nektarhefen, die zu gären anfangen, wenn die Zuckerkonzentration im Honig gesenkt. Ein Phänomen, dass ungewollt bei zu früh geernteten Honig auftritt, oder auch geziehlt für die Met-Herstellung verwendet wird.  Bereits seit dem Mittelalter wurde Honig  daher auch als Gärungsmittel zum Backen von Brot verwendet. Ein Beispiel dafür sind Honig-Salz-Brote, bei denen die Teiglockerung durch die Nektarhefen geschieht. Eine (kommerzielle) Variante der Honig-Salz-Brote ist das Backferment.

Doch welche Kombination aus Mikroorganismen auch immer im Lievito madre vorhanden ist, der angenehme Geschmack und der Effekt auf den Ofentrieb locken mich, weitere Rezepte zu probieren.

 

Lievito madre

Ansatz

  • 200g Mehl Type 550
  • 100g Wasser
  • 25g Honig
  • 15g Öl

Auffrischen 1

  • 100g Teig vom Ansatz
  • 100g Mehl Type 550
  • 5g Honig
  • 50g Wasser

Auffrischen 2

  • 100g Teig von Auffrischen 1
  • 100g Mehl Type 550
  • 50g Wasser

Die Zutaten miteinander zu einem glatten Teig verkneten und zu einer Kugel formen. In eine Schüssel geben und diese mit Frischhaltefolie oder einem Deckel verschließen. 2 Tage stehen lassen, bis sich das Volumen verdoppelt bis verdreifacht hat.

Zum Auffrischen 1 die Zutaten miteinander zu einem glatten Teig verkneten und in einer verschlossenen Schüssel 1-2 Tage bei Raumtemperatur gehen lassen.

Zum Auffrischen 2 die Zutaten wieder miteinander zu einem glatten Teig verkneten und in einer verschlossenen Schüssel 2- 5 Tage im Kühlschrank reifen lassen.

Wenn Lievito madre zum Backen entnommen wird, den restlichen Teig wie bei “Auffrischen 2” behandeln.

189 Gedanken zu Lievito madre

  1. Isa 14. Oktober 2018

    Hallo, es ist mein zweiter Versuch eine LM anzusetzen und irgendwie will es wieder nicht funktionieren.
    Beim ersten Auffrischen ging der Teig den ersten Tag toll. Am zweiten ist er zusammen gefallen. Ich habe trotzdem erstmal weiter gemacht. Nun ist er vier Tage im Kühlschrank und es tut sich einfach nichts.
    Ich habe auch das Gefühl das die Triebkraft nicht soooo stark ist. Der Ansatz ging zwar bei Raumtemperatur aber nicht wirklich viel.

    Soll ich besser nochmal anfangen?

    Antworten
    1. Stefanie 14. Oktober 2018

      @Isa: Das starke Aufgehen am ersten Tag hat man oft – auch beim normalen Sauerteig. Das kommt allerdings durch die “falschen” Mikroorganismen, die sich nicht auf Dauer im LM oder Sauerteig halten können. Die richtigen Mikroorganismen müssen sich ansiedeln.
      Wie richt der Ansatz im Kühlschrank? Säuerlich zwischen Frucht und Joghurt? Dann würde ich versuchen, ihn nochmal einen kleinen Schubs zu geben. Du kannst mal versuchen, deinen Ansatz mit 20g Honig zu verrühren und bei 28-30°C stehen lassen, bis er sich verdoppelt. Dann wieder auffrischen: 50g LM, 50g Mehl, 25g Wasse, 10g Honig und wieder bei 30°C stehen lassen. Das wiederholst du, bis er sich innerhalb von 4 Stunden verdoppelt.
      Wenn der LM im Kühlschrank aber nicht leicht säuerlich riecht, würde ich von neuen beginnen. Allerdings evtl. nach einer anderen Methode, diese hier ist nur noch meine dritt-wenigst geliebte Methode, um einen LM anzusetzen. Meine liebste Variante ist immer noch diese hier, die geht aber nur mit eigenen Sauerteig. Oder man zieht sich ein Rosinen-Hefewasser als Ausgangslage. Wichtig ist hierbei, dass der Ansatz möglichst warm bei 28-30°C steht. Beim momentanen Wetter ist das noch recht einfach, ansonsten muss man sich ein bisschen in der Wohnung umschauen, wo die Temperatur erreicht wird. Tipps, wie man auf die Temperatur kommen kann, gibt es z.B. hier

      Antworten
      1. Isa 15. Oktober 2018

        Er riecht leider nur säuerlich:-/ ich denke ich werde nochmal erneut versuchen ihn anzusetzen.

        Herzlichen Dank für die schnelle Antwort!

        Ich gebe noch nicht so schnell auf!

        Antworten
  2. Christian 26. Dezember 2018

    Habe den Lievito Madre original in 25 tagen angesetzt. Den Rest habe ich ab den ersten füttern gleich in ein Brot mit dazugegeben, und nicht entsorgt. Ich gebe die Madre auch zum mischbrot dazu also Roggensauerteig und Lievito Madre zu gleichen Teilen. So habe ich nie abfall. Ich lasse die Madre 2 Stunden zimmerwarm danach füttere ich sie. Nehme den Teil zum brotbacken ab, füttere den Rest nochmal und gebe sie wiederum in den Kühlschrank.

    Antworten
    1. Stefanie 26. Dezember 2018

      @Christian: Das “orginal” irritiert mich ein bisschen. Bei Lievito Madre gibt es 1001 Möglichkeit, wie sie angesetzt werden kann – wie bei jedem anderen Sauerteig auch. In Italien werden mit Lievito Madre Weizensauerteige bezeichnet, die von fest geführt bis weich geführt alle Konsistenzen haben können. Von daher ist ein “orginal” Rezept genauso unwahrscheinlich wie bei “deutschem” Roggensauerteig. Jeder Bäcker hat da sein eigenes Vorgehen- und das ist ganz in Ordnung so 😉
      Grundsätzlich gebe ich allerdings niemals die ersten Ansätze beim Neuzüchten eines Sauerteiges (egal ob LM, Roggen- oder Weizensauer) zu einem Brot, da in dieser Phase sich noch sauerteig-untypische Mikroorganismen vermehren und immer die Gefahr besteht, dass zu diesem Zeitpunkt noch Bakterien im Sauerteig enthalten sind, der Gesundheit nicht förderlich sind. Bei einem stabilierstem Sauerteig ist das etwas anderes, da gebe ich auch gerne kleine Mengen zu Brotteigen hinzu. Weggeworfen wird hier auch nur sehr selten.

      Antworten
      1. Christian 27. Dezember 2018

        Hallo noch leben wir 😀 aber du hast recht, viele Wege führen zu einem Sauerteig. Mitlerweile ist die Madre schon 3 Monate alt,und kommt in jedes Brot mit dazu. Seit kurzem ist auch keine Hefe mehr drinn. Mein Roggensauerteig ist mittlerweile ein Jahr alt. Und meine Sauerteige kommen wöchentlich zum Einsatz.

        Antworten
  3. Brigitte 10. Januar 2019

    Guten Tag,
    wieso soll man 100g vom Ansatz wegnehmen? Kann man nicht einfach weiter füttern wie beim normalen Sauerteig?
    LG Brigitte

    Antworten
    1. Stefanie 10. Januar 2019

      @Brigitte: Auch beim Sauerteig-Neuansatz füttere ich nie die gesamte Menge weiter, da es für die Bakterien und Hefen besser ist, wenn eine größere Menge frisches Mehl dazu kommt. Darum ist es gut, immer die gleiche Menge Mehl wie Ansatz des Vortages zu verwenden (in beiden Fällen). Natürlich könnte man die Mehlmengen auch immer entsprechend erhöhen, dann steht man aber nach der 2. Auffrischung mit fast 2 kg Lievito madre da, die man irgendwie verbacken muss. Da finde ich es sinnvoller, mit kleinen Mengen zu arbeiten.

      Antworten
  4. Christina 11. Mai 2019

    Nach dem ersten Auffrischen bleibt ja vom Ansatz was übrig. Was macht ihr mit dem Rest?

    Antworten
    1. Stefanie 11. Mai 2019

      @Christina: In diesem Fall: Wegwerfen. Das liegt einfach daran, dass man bei einem sich entwickeltenden Sauerteig oder Madre nicht sicher sein kann, dass im Beginn der Entwicklung nur die “richtigen” Bakterien enthalten sind. Manchmal können sich in dieser Phase Bakterien vermehren, die dann für den Magen/Darm-Trakt nicht so gut sind. Darum sollte man warten, bis sich die Sauerteigflora stabilisiert hat, bevor man Fütterungsreste weiterverwendet.

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  5. Stefan 31. Januar 2020

    Liebe Stefanie,

    Erst einmal danke für Deinen schönen Blog, er hat mir schon viele schöne Brötchen beschert. Kann man den LM auch aus Weizensauerteig umzüchten oder muss man ganz von vorn anfangen? Ich dachte, dem ersten Ansatz vielleicht 10% Starter mitzugeben.

    Noch viel schöne Inspirationen wünsche ich Dir.

    Antworten
    1. Stefanie 31. Januar 2020

      @Stefan: Du kannst nach dieser Anleitung vorgehen. Das ist meiner Meinung nach auch geschmacklich (und vom Trieb her) die bessere Variante.

      Antworten
  6. Ralf Hannemann 2. Februar 2020

    Hallo Stefanie,
    ich habe die LM-Version mit Honig und Öl ausprobiert und es war ein voller Erfolg. Die Hörnchen waren sehr, sehr lecker. Ist es eigentlich möglich, diesen LM auch zu sichern wie die anderen Sauerteige?

    Viele Grüße von der Küste
    Ralf

    Antworten
    1. Stefanie 2. Februar 2020

      @Ralf: Das freut mich sehr! Eine Anleitung für die Sicherung von festen Sauerteigen (egal, wie sie gerade heißen 😉 ) findest du hier.

      Antworten
  7. Christine 29. März 2020

    Liebe Stefanie,
    Gibt es einen Unterschied zwischen Lievito Madre und dem Süßen Starter? Eigentlich dürfte ja über die vielen Auffrischungen kaum noch etwas von Öl und Honig (umgebaut durch Hefen?) im LM zu finden sein, aber vielleicht gibt es doch bei Teigkonsistenz, Struktur oder Geschmack leichte Differenzen?

    An dieser Stelle vielen Dank für die vielen Infos, die gerade jetzt sehr hilfreich sind!

    Viele liebe Grüße, bleibt gesund!
    Christine

    Antworten
    1. Stefanie 30. März 2020

      @Christine: Grundsätzlich sind beides feste, milde Weizensauerteige. Führt man den Lievito madre dauerhaft warm, gibt es nach einigen Wochen geschmacklich keinen Unterschied, die kalte Version entwickelt mehr Säure und braucht viel länger, bis sie wirklich optimal treibt. Darum bevorzuge ich den grundsätzlich den süßen Starter.

      Antworten
  8. Daniela Enke 25. Oktober 2020

    Liebe Stephanie , vielen Dank für die vielen Anregungen und Tips. Ich brauche nun deinen Rat. I h habe den Madre di lugano von bongu und möchts ihn starten. In der Anleitung steht 10g Starter 250g Mehl und 125 g Wasser. Zum weiteren Aktivieren wird dieser Starter 2 – 3 mal aufgefrischt, und zwar im Verhältnis 2 Teile Starter, 2 Teile Mehl, 1 Teil Wasser, mischen und von Hand zur Kugel verkneten. Wenn dabei die 28°C Teigtemperatur eingehalten werden schaffen es diese Ansätze bereits beim zweiten oder dritten Mal, in 3-5 Stunden ihr Volumen zu verdoppeln, besser zu verdreifachen.
    Welche Mengen sind das denn?Nehme ich 20g Starterpulver und 500g Mehl, 125 g Wasser.Oder 20g von dem Ansatz, 100g Mehl und 50g Wasser, wenn ich 100g als 1 Teil sehe. Danke für die Erklärung.
    Liebe Grüße Daniela

    Antworten
  9. Norbert Baumann 15. November 2020

    welche Hefe sich entwickelt hängt stark von der Gärtemperatur ab. Bei
    https://boulancheriechen.wordpress.com/2013/12/30/herstellung-von-lievito-madre-italienische-mutterhefe/

    muß der Teig im Kühlschrank mehrere Tage reifen. Da werden andere Hefen gefördert als bei den üblichen Gärtemperaturen von 22 oder 28 Grad. Wenn die nicht bei der entsprechenden Temperatur weitergeführten Hefen entfernt werden sollen, muß ein Teil des Teigs jedesmal weggeworfen werden. Den Honig halte ich nicht für sehr wichtig. Die wichtigen Hefen sind wohl alle in der Umgebung.

    Grüße

    Norbert

    Antworten
    1. Stefanie 15. November 2020

      @Nobert: Das Rezept von Boulancheriechen entspricht dem meinem (und verweist sogar auf meine Seite) 🙂 Da sind nur noch ein paar Auffrischung extra dabei…
      Das mit den Hefen in der Umgebung stimmt so nicht. Einen Sauerteig (und ein LM ist ja nichts anderes) entwickelt sich auch in einer sterilen Umgebung (dazu gibt es wissenschaftliche Studien). Allerdings beeinflusst umgekehrt der Sauerteig seine Umgebung: In Bäckereien, die mit Sauerteig arbeiten, finden sich auf Decken und Wänden viel mehr Sauerteig-Hefen und Milchsäurebakterien als in Küchen o.ä. Die Hefen kommen – genau wie die Milchsäurebakterien – über das Mehl in den Sauerteig. Honig enthält ebenfalls viele Hefen, was der Grund ist, warum bei der Honigernte sehr genau auf den Wassergehalt geachtet werden muss. Ist der Wassergehalt zu hoch, gärt der Honig sehr schnell. Darum kann man auch aus Honig alleine ein “Hefewasser” anziehen.
      Insgesamt ist es bei allen fest geführten, milden Weizensauerteigen vor allem wichtig, dass die Hefen die Milchsäurebakterien überwiegen, da der Teig sonst zu säuerlich wird. Und da gibt es – wie so oft im Leben – 1001 Methode. Mit Honig den Sauerteig mit Hefen anzuimpfen ist eine. Eine weitere ist es, mit Hefewasser zu starten und daraus die Madre zu ziehen. Ich bevorzuge inzwischen allerdings den warm geführten süßen Starter, da er insgesamt noch milder und zuverlässiger ist.

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